Was ist besser: Gehen oder Stehen bei einem Vortrag?

 
Stehen oder gehen. Rhetorik Training.png
 

Stell dir vor: Du sitzt bei einem Vortrag und die Rednerin vorne auf der Bühne führt seit Minuten, während sie ohne Punkt und Komma redet, einen Tanz auf. Natürlich tanzt sie nicht wirklich, im Sinne von Walzer oder ChaChaCha.

Doch sie tritt von einem Bein aufs andere, und hackt mit den Spitzen ihrer Absätze jedes Mal gefühlt ein Loch in die Bühne. Hin und her geht es, vor und zurück. Es ist, als würde sie von etwas Unsichtbarem angetrieben werden – während ihr Körper gar nicht mitbekommt, was er tut.

Zuerst hast du dich noch auf ihre Worte konzentrieren können, doch mittlerweile rückt dieser seltsame Tanz immer mehr in dein Bewusstsein. Alles, was sie inhaltlich von sich gibt, wird von der ablenkenden Wirkung des ewigen Hin-und-Her zunichte gemacht. Ihr äußerer Ausdruck, diese ewige Zappeligkeit, übernimmt komplett die Führung.

 

Die Spannung der Rednerin überträgt sich aufs Publikum.

Jetzt hast du dir vorgestellt, was die Zappeligkeit der Rednerin mit dir als Zuhörerin macht. Wie unruhig du wirst, wie abgelenkt, wie gereizt sogar. Zwischen der redenden und der zuhörenden Person gibt es etwas wie ein unsichtbares Band: Wenn der Mensch auf der Bühne unruhig und nicht in seiner Mitte ist, dann überträgt sich das sofort auf die Zuhörer*innen. Die Rednerin zappelt rum - du kannst dich nicht mehr konzentrieren.

Und nun schlüpfe in die ‚andere Rolle‘ und wir schauen uns an, was das umgekehrt für dich als Sprecherin bedeutet: Wenn du selbst vor Leuten stehst, redest, präsentierst.

Wie sollten deine Bewegungen dann sein? Was kannst du tun, damit du dir nicht mit deiner Zappeligkeit die Wirkung deiner Worte zerschießt? Und wie kannst du Bewegungsabläufe entwickeln, die zu dir passen und dich auf der Bühne, im Meetingraum, auf dem Podium optimal unterstützen?

 

Bewegungen auf der Bühne sollten bewusst ablaufen.

Wie du dich bei deiner Präsentation bewegst, wie du dich auf der Bühne verhältst, hat einen entscheidenden Einfluss auf deine Wirkung. Wir alle nehmen Menschen als ‚Gesamtpaket‘ wahr: Was du inhaltlich sagst, welche Haltung du nach außen trägst, sollte also zu deinem körperlichen und stimmlichen Ausdruck passen.

Ein Beispiel: Wenn du eine traurige, ernste Botschaft überbringst, solltest du nicht gleichzeitig lächeln und sehr laut und schnell sprechen. Es wäre dann, als würde die innere Haltung einen Krieg mit dem äußeren Ausdruck führen. Deine Zuhörer*innen wären verwirrt: Welcher Ebene deiner Botschaft sollen sie nun Glauben schenken?  

Wenn du dein Fachwissen, dein Thema, deinen Vortrag überzeugend rüberbringen willst, dann ist bewusst eingesetzte Körpersprache und Stimmführung für dich Pflicht.

 

‘Warum kommen meine Worte nicht an? Inhaltlich bin ich doch so gut.’

Viele meiner Klient*innen kommen zu mir, weil sie den Eindruck haben, dass ihre Worte beim Gegenüber nicht wirklich ankommen. Inhaltlich sind sie top aufgestellt, informiert, gebildet – aber trotzdem können sie oft nicht die gewünschten Entwicklungen im beruflichen Umfeld anstoßen oder ihre Themen verankern.

Dann lohnt es sich, den Blick auf die äußeren Bewegungen zu richten. Denn die wichtigste Botschaft kommt nicht an, wenn du sie verzappelst. Sie kann nur verfangen, wenn du auch auf der äußeren, auf der sichtbaren Ebene ‚bewusst sendest‘. Und das hat viel mit der Frage des richtigen Standes oder einer bewussten Bewegungsführung zu tun.

 

Wie du einen sicheren Stand beim Reden einnimmst

Fangen wir bei dem sicheren Stand und einer klaren körperlichen Haltung auf der Bühne an. Du nimmst den sicheren Stand am besten sofort ein, nachdem du aufgetreten bist. Egal, ob du nun wirklich eine Bühne betrittst oder nur ein paar Schritte im Meetingraum nach vorne gehst, um deine Präsentation zu halten.

Sicher stehst du, wenn deine Füße etwa einen hüftbreiten Abstand zueinander haben. Die Füße sollten sich anfühlen, wie sicher im Boden verwurzelt. Diese hier beschriebene Übung ist gut, um den optimalen Stand vorab auszuprobieren und ein Bewusstsein für ihn zu schaffen.

Die Knie sollten locker sein. Ich sage dazu auch gerne: entriegelt. Das ist das Gegenteil von steif durchgedrückt. Das Becken ist optimal aufgerichtet, der Rücken gerade, die Schultern sollten entspannt sein und der Kopf sitzt locker auf dem Hals. Am Scheitelpunkt stell dir einen goldenen Faden vor, der dich sanft nach oben zieht. Ich arbeite oft mit diesem Bild:

‘Wir sind Wesen, die zwischen Erde und Himmel aufgespannt sind.’

 

Idealerweise nimmst du diesen ruhigen, sicheren Stand an einem bestimmten Ort auf der Bühne am Anfang deiner Präsentation ein – und bleibst dann auch da stehen. Gut verwurzelt, trotzdem locker und präsent. Du benutzt Gestik, um deine Worte zu unterstreichen, baust Blickkontakt zu deinem Publikum auf – und der Bodenkontakt beim sicheren Stand sorgt für die notwendige Verwurzelung nach unten.

Das funktioniert für einen Teil meiner Klient*innen sehr gut und sie achten bei all ihren Reden, Vorträgen, Wortmeldungen zuallererst auf den sicheren Stand. Den diesen können sie mit ein bisschen Bewusstsein und Training leicht beeinflussen.

Manche wollen sich beim Reden lieber bewegen.

Doch es gibt auch eine andere Gruppe von Personen: Die drehen durch, wenn sie die ganze Zeit sicher und fest auf der Bühne stehen sollen. Für die klappt das mit dem sicheren Stand nicht so gut, weil sie einen größeren Bewegungsdrang haben. Oft hängt das mit Nervosität und Anspannung zusammen: Der Körper will sich unbedingt bewegen, um den Stress loszuwerden.

Genau diese Personen fangen dann auf der Bühne zu ‚tanzen‘ an. Es ist der Versuch, den Sprech-Stress ab- und umzuleiten. Ein typisches Symptom dafür ist: ein permanenter Wechsel zwischen Stand- und Spielbein. Das Gewicht liegt immer hauptsächlich auf einem Bein – aber das wird ständig gewechselt, der Schwerpunkt immer von einer Seite auf die andere verschoben. Es entsteht der Eindruck von Unruhe und aus-der-Mitte-fallen.

Weitere Symptome sind: Drehen des Schuh-Absatzes, Drehen der Hüfte, permanente Bewegungen vor-und-zurück. Manche Menschen ‚rennen‘ auch immer von links nach rechts über die Bühne und gleichen dabei sehr einem eingesperrten Tiger im Käfig.

 

Unbewusste Bewegungen auf der Bühne wirken nicht gut.

Diese Bewegungsfolgen sind meistens sehr gleichförmig, wiederholen sich ständig und sind der Sprecherin überhaupt nicht bewusst. Wenn sie nach dem Vortrag ein Feedback dazu bekommt, hat sie dieses Verhalten in der Regel an sich selbst nicht bemerkt: Ein klassischer ‚Blinder Fleck‘: Alle anderen nehmen es wahr, nur die betreffende Person nicht.

Manche Menschen brauchen also einen größeren Bewegungsspielraum als den ‚sicheren Stand‘, um optimal zu wirken und sich vor Publikum gut zu präsentieren. Es geht es darum, bewusste Bewegungen zu ermöglichen und zu integrieren. Und das auf eine Art, dass sie dem Vortrag und der Gesamtwirkung nutzen.

 

Womit fühlst du dich wohler? Verwurzelung oder bewusste Bewegung?

Finde also zuerst heraus, ob du dich besser mit dem verwurzelten Stand fühlst – oder ob du dich lieber bewegen möchtest. Wenn Bewegungen für dich der sinnvollere Weg sind, dann solltest du sie sehr achtsam machen. Du solltest mitbekommen, was du machst, während du es machst – um es steuern zu können.

Dazu gibt es den Merkspruch eines Lehrers von mir:

‚Du kannst auf der Bühne stehen, du kannst gehen – aber nicht im Stehen gehen.‘

Also: Bewegungen und ganze Gänge von mehreren Schritten sind erlaubt, wenn sie bewusst passieren. Sobald du ‚im Stehen gehst‘, also rumzappelst, ist es nicht mehr ideal.

Versuche es mal so: Du redest und gehst währenddessen bewusst zwei Schritte nach rechts. Ankommen, Pause machen. Dann bleibst du einige Momente stehen und redest im Stand einige Sätze weiter. Danach setzt du dich wieder in Bewegung, und gehst diesmal vier Schritte nach links. Stehenbleiben. Nach einer Weile gehst du einen kleinen Schritt nach vorne, um z.B. eine Botschaft besonders zu verdeutlichen. Stehenbleiben. Wieder in Bewegung setzen …

 

Bewusste Bewegungen können Teile deines Sprechens hervorheben und die Wirkung vergrößern.

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Das Ganze darf keinem stereotypen Rhythmus folgen, der immer gleich ist und du solltest dir jeder deiner Bewegungen bewusst sein. Dann kannst du diese Art der Schritte und kurzen Gängen auch dazu nutzen, bestimmte Teile deines Sprechens hervorzuheben und zu unterstreichen.

Im Idealfall merkst du nach einiger Zeit, dass dein Körper dir Bewegungen vorschlägt, die dein Sprechen und deine Inhalte optimal unterstützen.

Während du gehst, nimmst du bitte weiterhin Blickkontakt mit deinem Publikum auf. Genauso im Stehen. Bei dieser Art der Bewegungsführung ist es besonders wichtig, dass du mit deinem Publikum arbeitest und sie bei dir behältst. Einfach, weil du jetzt nicht statisch an einer Stelle im Raum stehst, sondern die Position wechselst: Sie sollen also mit ihren Blicken ‚mit dir mitkommen‘.

Auch solltest du Schuhe tragen, die keine klackernden Absätze haben. Ansonsten zertrampelst du dir mit dem Schuh-Geräusch die wichtigsten Aussagen, das wäre schade.

 

Gehen und Stehen. Beides ist möglich.

Es geht also beides: Stehen oder Gehen. Natürlich auch abwechselnd. Doch die Bewegungen oder auch der Stand sollten jeweils eindeutig sein. Sei dir also dessen bewusst, was du tust, wie du dich bewegst und höre in jedem Fall auf, hin-und-her zu tanzen.

Denn: Alles, was du auf der Bühne machst, macht eine Aussage.