So setzt du dich durch, ohne dass deine Stimme laut wird

 
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Frauenstimmen und Männerstimmen sind unterschiedlich. Klar, die meisten Männer haben eine tiefere Stimme als die meisten Frauen. Und auch wenn in den letzten 20 Jahren Frauen-Stimmen einer Studie zufolge tiefer geworden sind, besteht noch immer eine Differenz zu männlichen Stimmlagen.

 

Deine Stimme: So unverwechselbar wie ein Fingerabdruck

Das ist auch absolut ok so. Es geht nicht darum, dass sich männliche und weibliche Stimmen angleichen müssen. Verschiedene Tonhöhen, Melodien und Klangfarben machen das Sprechen von Menschen interessant und abwechslungsreich. Und schließlich ist nichts so persönlich und individuell wie deine eigene Stimme. Unverwechselbar wie ein Fingerabdruck.

Problematisch ist nur, dass die männlich tiefe Stimme als der ‚gesellschaftliche Normalfall‘ angesehen wird. Und oft wird sie mit Ausdrücken wie Kompetenz, Charisma und Durchsetzungskraft verbunden. Da können ‚höhere Stimmen‘, also weibliche, ja nur dagegen verlieren, oder?

Ums Gewinnen oder Verlieren sollte es eigentlich beim miteinander-Sprechen nicht gehen. Sollte, sollte…
 

Wer sich durchsetzt, wird gehört. Wer gehört wird, setzt Ideen und Vorschläge durch. 

Tatsächlich ist es aber so, dass es im Beruf oder im fachlichen Austausch entscheidend ist, wer gehört wird. Wer sich durchsetzen kann. Wer Ideen in eine Diskussion einbringen oder andere übertönen kann.

Viele Männer setzen dafür die Macht und auch die Lautstärke ihrer Stimme ganz selbstbewusst und selbstverständlich ein. Die Möglichkeit, Durchsetzung über Laut-Werden zu erreichen, schreckt viele Frauen hingegen ab. Aber wie kann frau gehört werden, ohne zu schreien und die Stimme zu strapazieren?

 

Hast du Angst, dass deine Stimme schrill wird?

Bei Frauen begegne ich oft der Angst, dass die Stimme schrill oder kieksig wird, wenn sie lauter werden.

‚Ich will nicht so hysterisch klingen‘, sagt dann die eine.
Oder eine andere: ‚Meine Stimme gibt einfach nicht mehr her.‘
Eine Klientin meinte auch: ‚Meine Stimme kreischt so, wenn ich laut werde.‘

Und all diese Möglichkeiten stehen dann wie große Schreckgespenster im Raum. Denn die eigentliche Angst ist, für dieses Stimmverhalten abgestraft zu werden. Kaum eine hat noch nicht erlebt, dass ihr ‚hysterisches Verhalten‘ vorgeworfen wurde, wenn sie engagiert, emotional beteiligt und laut gesprochen hat. Oder sie hat dann den Hinweis bekommen: ‚Geht das auch leiser?‘

Ja, wie jetzt?

 

Lautes, engagiertes Sprechen von Frauen wird schnell als hysterisch abqualifiziert.

Das gleicht einem Tanz auf dem Drahtseil: Wenn Frauen laut und engagiert sprechen, bekommen sie leicht das Etikett ‚hysterisch‘ oder ‚kreischig‘ aufgedrückt.  Denn bei vielen steigt mit der Laustärke auch die Tonhöhe an.

Und wenn Frauen leise sprechen, oft, um diesem Vorwurf zu entgehen, ‚kann man sie ja nicht hören‘. Und überhört sie dann auch. Sie haben sich dann ja nicht genügend eingesetzt.

So kann es nicht weitergehen.

 

Kommentare zur Stimme sind belastend.

Immer wieder begegnen mir Frauen, die mit der eigenen Stimme auf Kriegsfuß stehen. Sie haben im Laufe ihres Lebens Kommentare geerntet, die dieses intime Verhältnis zur Stimme belasten. Sehr oft von Männern. Die Stimmen und das Sprechen von Frauen werden abgewertet oder lächerlich gemacht.

Wie ich oben geschrieben habe, ist kaum etwas so persönlich wie die eigene Stimme. Ein verletzender Kommentar dazu geht sehr tief rein. Auch weil die Möglichkeiten, an der Stimme ‚schnell etwas zu ändern‘ beschränkt sind.

 

Wenn die eigene Stimme als ‚falsch‘ wahrgenommen wird

Zurück bleibt das belastende Gefühl, dass die eigene Stimme ‚falsch‘ ist. Dass sie ‚nicht richtig‘ klingt. Dass das Instrument, mit dem täglich Sinn gebildet und Botschaften in die Welt gesendet werden, auf seltsame Weise ‚verstimmt‘ ist. Da Stimme und Stimmung sehr eng miteinander verbunden sind, kann das als sehr belastend erlebt werden.

Was daraus folgt, ist besorgniserregend: Die Stimme wird weniger selbstbewusst eingesetzt. Die innere Selbstkritik diesem wunderbaren Instrument gegenüber wird laut – während frau sich zurücknimmt, ihr Sprechen überwacht und jede Lautäußerung im schlimmsten Fall in vorauseilendem Gehorsam zensiert. Weil bloß kein Anlass gegeben werden soll für weitere entwertende Zuschreibungen – von innen wie außen.

 

Über die Kritik an der Stimme wird Macht ausgeübt.

Das ‚Herumkritisieren an weiblichen Stimmen‘ kann natürlich auch ein Modus der Machtausübung sein. Je mehr frau davon überzeugt wird, dass mit ihrer Stimme etwas nicht stimmt – desto weniger muss mann sich mit ihren Äußerungen auseinandersetzen.

Außerdem wird mit dem ‚Kommentar zur Stimme‘ der Fokus von der eigentlichen Äußerung abgelenkt. Kann ja sehr praktisch sein, wenn sie mit der eigenen Meinung nicht übereinstimmt. *Ironie aus*.

Auch mir ist es schon einige Male passiert, dass ich ungefragt Kommentare zu meiner Stimme bekommen habe. Und ich will keine Studie daraus machen, aber: allesamt von Männern. Jahre sind seit diesen Äußerungen vergangen - und trotzdem haben sie sich tief eingebrannt. 

Einer konstatierte, meine Stimme würde ja schon ziemlich in der Kehle sitzen.
Ein anderer fühlte sich bemüßigt zu diagnostizieren, meine Stimme hätte ja ‚nicht so einen großen Umfang und wäre nicht so resonanzreich‘. Dieser Herr war ein Kollege.  
Der nächste meinte: ‚Wenn du mit dieser Stimme sprichst, hör ich das gar nicht.‘

Äh ja. Danke schön auch, die Herren. Für eine Anleitung, wie ihr zukünftig qualifiziertes Feedback gebt, geht’s hier entlang. Denn das war keines. Ansonsten einfach mal die Klappe halten.

 

Hört auf, Frauen-Stimmen zu bewerten!

Frauen-Stimmen sind, wie sie sind. Und sie sind anders als Männer-Stimmen. Wir alle müssen endlich aufhören, das als Nachteil oder als ‚außerhalb der Norm‘ aufzufassen.

Natürlich gibt es auch Stimmen, die nicht gesund sind und etwa durch permanente Überbeanspruchung oder einen unökonomischen Stimmeinsatz gelitten haben. Dafür sind Logopäd*innen die richtigen Ansprechpartner*innen, deren Unterstützung meist rasch zu einer erfolgreichen Stimmgesundung führt.

Doch die meisten Stimmen sind gesund und stark, mit jeweils eigenen Klangfarben und Eigenschaften.  Es geht nicht an, dass trotzdem so viele Frauen Angst haben, dass ihre Stimmen ‚lächerlich‘ sind und ‚kreischen‘. Während ein laut herumpolternder Mann als ‚durchsetzungsstark‘ gilt.

 
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Durchsetzen klappt nicht nur über Lautstärke.

Genau diesen Zusammenhang zwischen ‚durchsetzen‘ und ‚Lautstärke‘ schauen wir uns jetzt genauer an. Denn du musst nicht laut werden und schreien, wenn du dich in einer Gesprächs-Situation durchsetzen und gehört werden willst. Es gibt andere Elemente des Sprechausdrucks und deiner Körpersprache, die du verstärken kann. 

Das birgt gerade in der beruflichen Kommunikation große Chancen. Etwa, wenn du an einem Meeting teilnimmst und sicherstellen willst, dass deine Ideen ankommen. Wenn du dir als Führungskraft in deiner Arbeitsgruppe Gehör verschaffen willst. Oder wenn du vor KollegInnen deinen Projekt-Stand präsentierst und es im Raum unruhig ist.

Normalerweise versuchen sich Menschen in Gesprächen über Lautstärke durchzusetzen. Das passiert, wenn schon eine Person spricht – und eine andere den Versuch unternimmt, über ein Anheben der eigenen Sprechlautstärke ‚drüber zu kommen‘. Also lauter zu sein. Und dadurch gehört zu werden.

 

Was tun, wenn ein Vielredner immer weiterspricht?

Nehmen wir an, Kollege X redet schon seit 10 Minuten lang und ausschweifend über seine Meinung zum Meeting-Thema. Jegliche Zeichen, dass andere auch zu Wort kommen wollen, ignoriert er und legt sogar immer noch eins an Lautstärke und Sonorität drauf.

Was tun? Vielleicht leitest du das Meeting – und es gibt noch andere wichtige Themen, die dringend besprochen werden müssen. Auch wenn ich keine Freundin von Unterbrechungen bin – manchmal sind sie das letzte Mittel, um Vielredner zu stoppen. Also setzt du an, um den Kollegen X zu unterbrechen.

Wenn du das jetzt über ein Anheben deiner Sprechlautstärke über das Level deines Kollegen versuchst, dann wird’s gleich sehr laut im Raum. Denn er spricht ja schon, du müsstest ihn übertönen.

Bei nicht spezifisch ausgebildeten Stimmen, erhöht sich bei einem Anheben der Lautstärke auch die Tonhöhe. Also würde deine Stimme, die an sich schon höher ist als die des Kollegen, noch mal höher rutschen.

 

Die Stimme wird höher, wenn sie lauter wird.

Die normale Sprechtonhöhe bei größerer Lautstärke zu halten, um so durchdringender zu sprechen, ist meist erst nach vermehrtem Sprechtraining möglich.

Untrainierte Frauen-Stimmen hauen meist nach oben ab, um es salopp auszudrücken. Das ist normal – deswegen gibt es ja Sprechtraining und gezieltes Rhetorik Coaching für Frauen

Die Stimme muss wie jedes Instrument geübt werden.

Und auch Männerstimmen werden oft höher, je lauter sie sprechen. Das fällt nur meist nicht so auf, weil sie noch immer tiefer als Frauen-Stimmen sind.

Doch dadurch entsteht im Vergleich zur Männer-Stimme möglicherweise der Eindruck, die Frauen-Stimme würde ‚kreischen‘. Und schon ist der Versuch, den Vielredner zu unterbrechen, deutlich weniger wirkungsvoll.

 

Wirkungsvolle Kommunikation muss nicht laut sein.

Aber fürchte nicht!

Kommunikation funktioniert natürlich nicht nur über Lautstärke. Sonst würden sich die Menschen noch viel mehr überbrüllen, als sie das eh schon tun.

Es gibt andere sprecherische Parameter und Körperausdrucksmittel, die dir helfen, um dich ins Gespräch zu bringen. So kannst du genau die Elemente nutzen, die zu dir passen und damit die volle Wirkung erzielen. Schauen wir uns deine alternativen Möglichkeiten zur Lautstärke an, um gegen den beispielhaften Vielsprecher X anzukommen.

 

3 + 1 Tipps, wie du dich mit deinem Sprech- und Körperausdruck durchsetzt, ohne lauter zu werden

 

1.       Erhöhe deine Sprechspannung.  

Setz klar an und sprich besonders eindringlich und deutlich artikulierend. Akzentuiere deine Worte stärker als gewöhnlich und setz kräftige Akzente. Nicht Lautstärke, sondern Intensität ist das Stichwort!

Eine größere Artikulationsschärfe hilft dir, um dich gegen die Lautstärke durchzusetzen – und trotzdem verständlich zu sprechen.

 

2.       Verwende deutliche Gestik, die in den Raum hineingeht.

Wenn du dich durchsetzen willst, ist starke Gestik deine beste Verbündete. Dabei wirken alle Arm- und Handbewegungen, die in den Raum hineingehen, distanzverringernd. Und ein Verringern der Distanz ist in dem Fall gut!

Diese Gesten müssen deutlich von deinem Körper weggehen, in dem Raum hineingehen und zielgerichtet sein. So sicherst du dir die Aufmerksamkeit – und kannst dir das ‚Wort holen‘.

Nicht umsonst heben Kinder in der Schule die Hand, wenn sie drankommen wollen. Und je unbedingter sie sprechen wollen, desto mehr richtet sich diese Gestik nach vorne und nach oben. Nun wirst du nicht ‚aufzeigen‘ wollen. Aber durch deutliche Arm-Hand-Bewegungen, die in den Raum gehen, verbunden mit einem geführten Einatmen, kannst du auf deinen Wunsch zu sprechen, aufmerksam machen.

Wenn du bereits sprichst, und der eifrige Vielredner zu unterbrechen versucht, gilt genau das gleiche: Intensiviere deine Gestik und setze gezielt Bewegungen ein, die in den Raum hineingehen. Dann kann dir niemand so leicht das Wort klauen.

 

3.       Bau körperlich Spannung auf.

Um dir das Rederecht zu sichern oder es zu behalten, kannst du körperlich Spannung aufbauen. Richte dich auf und beuge deinen Oberkörper vor. Achte auf ausgeglichene Spannung: das heißt, dass sie möglichst durch den ganzen Körper geht und intentional gerichtet ist.

Verspannte Schultern und eine innerliche Anspannung durch Wut-Grummeln sind damit nicht gemeint. Vielmehr die Art von zielgerichteter und körperlicher Spannung, die es unmöglich macht, dich zu übersehen. Um gegen den Vielredner anzukommen, musst du es wirklich wollen – und ein gehöriges Maß an Spannung einbringen.

 

4.       Entziehe dem Dauer-Redner deine Aufmerksamkeit.

Das ist der Extra-Tipp, falls gar nichts mehr funktioniert und du einen Strategie-Wechsel brauchst. Besonders Frauen sind gut trainiert darin, andere Menschen in Gesprächen zu unterstützen. Durch Signale, die dem anderen die Sprecherrolle weiter zugestehen.

Das können bestätigende Kurzkommentare wie ‚hm‘, ‚ah ja‘, ‚interessant‘ sein. Oder auch Blickkontakt und Kopfnicken. All diese Gesprächs-erhaltenden Maßnahmen, die zum Weitersprechen ermuntern, kannst du einstellen. Entziehe dem anderen deutlich deine Aufmerksamkeit – um sie dir im entscheidenden Moment selbst zu sichern.

Das ist natürlich die ‚Last-Exit-Strategie‘, die du mit Vorsicht einsetzen solltest. Denn schließlich willst du dich und deine Ideen im Gespräch einbringen, und dich nicht durch vorgebliche Interesselosigkeit selbst ausbooten.

Doch natürlich weist diese Strategie auf das hin, was so vielen Frauen in Gesprächen passiert: sie halten die Kommunikation durch ihre Bestätigungen am Laufen – ohne selbst zum Zug zu kommen.

Geh also besonders bewusst mit dieser Strategie um.

 

Für gelungene Interventionen muss dein Energielevel 2 Stufen höher sein als das der bereits Sprechenden Person.

Ob du nun deine Sprechspannung erhöhst, raumgreifende Gestik einsetzt oder deine körperliche Gespanntheit vergrößerst – ein Punkt ist noch wichtig. Entscheidend sogar:

All diese Maßnahmen führen nur zum Erfolg, wenn du eine 2 Stufen höhere Intensität dabei an den Tag legst als der Mensch, der schon redet. Wenn der Vielredner in seinem Stuhl leicht zurückgelehnt vor sich hin palavert, musst du dich mindestens in der Mitte des Stuhls aufrichten.

Wenn er schon vorgelehnt ist und deutliche Gestik verwendet, musst du mit deiner Intensität noch drüberkommen. 2 Stufen höher. Also deutlich engagierter reden und agieren. 

 

Die Mischung verschiedener Elemente bringt dir den Erfolg beim Sprechen.

Wenn du schon sprichst und jemand dich zu unterrechen versucht, kannst du ebenso die Parameter Sprech- und Körperspannung, sowie Gestik intensivieren – ohne die Lautstärke groß anzuziehen. Allerdings musst du immer mehrere Merkmale zugleich verstärken. Nur etwas stärker zu gestikulieren bringt nichts – erst die Mischung der Elemente bringt den Erfolg.

Dich sprecherisch durchzusetzen, hat viel mit Gerichtetheit, Spannung und Intensität zu tun. Doch eben nicht zwingend mit Lautstärke. Deswegen wird deine Stimme weder laut noch ‚schrill‘, wenn du diese anderen sprecherischen Gestaltungsmittel einsetzt.

Du musst die Stimme nicht überstrapazieren oder hoch hinauftreiben, um zu deinem Rede-Recht zu kommen. Und kannst trotzdem engagiert und verständlich deine Ideen ins Gespräch einbringen.

So wird deine Stimme gehört.