5 Schlagfertigkeitstechniken, mit denen du Grenzen setzt

 
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Verbale Angriffe tun weh. Ob es Vorwürfe, ungerechtfertigte Kritik, Beleidigungen sind: sie gehen tief rein. Dabei tun diese Äußerungen oft auf 2 Arten weh. Da ist erstes der Angriff an sich, der schmerzt. Weil damit eine Grenze überschritten wird und jemand versucht, dich als Person oder dein Tun zu entwerten. Daraus folgt oft eine große Verunsicherung: ‚Au, was sollte das denn jetzt? Was habe ich getan, um das zu bekommen?‘

Zweitens schmerzt oft der eigene innere Ärger, wenn die Situation vorüber ist. Die Gedankenspirale, die sich nach der Sprachlosigkeit umso schneller dreht. Das äußert sich dann in Gedanken, wie: ‚Mist, warum habe ich nichts gesagt?‘ ‚Warum habe ich mich auf diesen Angriff hin nicht verteidigt?‘
 

Danach nützt die schlaueste Antwort nichts mehr.

Oft kommt im Nachhinein die rettende Idee, was du hättest sagen können. Was das absolut Richtige gewesen wäre, um die Situation zu entschärfen oder das Unrecht sofort anzusprechen.

Doch Minuten oder Stunden später nützt die schlaueste Antwort oft nichts mehr. Und so gehen die Selbstbezichtigungen in die nächste Runde: ‚Warum fällt mir das denn erst jetzt ein?‘ ‚Warum kann ich nicht schlagfertiger sein, wenn es darauf ankommt?‘
 

Mit Schlagfertigkeit rauskommen aus der Sprachlosigkeit

Schlagfertig sein – das wünschen sich viele: rauszukommen aus der Hilf- und Sprachlosigkeit, aus der Defensive. Stattdessen gekonnt etwas kontern – und nicht dem verbalen Angreifer das Feld zu überlassen. In dem Moment etwas sagen können, wenn es wirklich wichtig ist.

Oft sind die ersten Reaktionen auf verbale Attacken nämlich: Sprachlosigkeit, Rückzug – oder auch ein so hilfloses, aggressives Zurückschlagen, dass danach kein Gras mehr wächst. Das sind die Reaktionen, die meist erwartet werden – und den ‚Angreifer‘ mit zufriedenem Gewinnerlächeln vom Feld ziehen lassen.

Das muss doch auch anders gehen? Ja, geht es auch.

Du kannst lernen, schlagfertiger zu werden. In diesem Artikel zeige ich dir 5 der sogenannten ‚harten‘ Schlagfertigkeits-Techniken, mit denen du Grenzen setzen und verbale Attacken kontern kannst.
 

Bist du bereit, dich zu wehren? 

Dazu braucht es etwas Übung und Bewusstsein, damit du die Techniken auch im ‚Eifer des Gefechts‘ anwenden kannst. Und als allerersten Schritt brauchst du: die Bereitschaft, dich zu wehren. Ein Mindset, das sagt: ‚Das lasse ich mir nicht mehr gefallen.‘

Für viele Frauen ist das gar nicht so selbstverständlich und  einfach. Viele von uns wurden sozialisiert, allzeit nett und freundlich zu sein. Nicht zu laut zu werden, denn das könnte ja hysterisch wirken. Lieber verbindend zu agieren – und Konflikte eher wegzulächeln, als sie sofort und unmissverständlich anzusprechen.
 

Mut zu deinen Ecken und Kanten

Wenn du ab nun schlagfertig reagierst, wirst du notwendigerweise auch Ecken und Kanten zeigen. Du wirst Erwartungen durchbrechen und dich in die Offensive begeben. Das wird vielleicht nicht allen gefallen.

Das braucht Mut. Auch Mut dazu, frech zu sein. Mut, einen Gegenangriff zu fahren. Doch du wirst belohnt: mit mehr Selbstbewusstsein, Souveränität und einem größeren Gefühl von Stärke.

Schauen wir uns jetzt die 5 ‚harten‘ Schlagfertigkeitstechniken an. Wenn es harte Techniken gibt, dann gibt es wohl auch weiche, denkst du wahrscheinlich. Ja, die gibt es – wobei die Grenze fließend ist und es keine eindeutigen, festgeschriebenen Zuordnungen gibt.

Wie bei allem in der mündlichen Kommunikation kommt es durchaus immer auf den situativen Zusammenhang an – und auf den Tonfall, in dem du sprichst. 

Harte und weiche Schlagfertigkeitstechniken

Ich zähle die folgenden 5 Techniken der Schlagfertigkeit zu den harten: tendenziell sind sie aggressiver. Die weichen Techniken sind diplomatischer und zielen mehr auf Verständnis und Lösungs-Findung ab. Harte Techniken sind empfehlenswert, wenn es sich wirklich auch um 'harte Angriffe' handelt.

Das können Situationen sein, in denen dich jemand beleidigt; wenn du bloßgestellt wirst oder wenn dich jemand fertigmacht. Also herausfordernde Situationen, die eine gezielte und deutlich Grenzen setzende Reaktion nötig machen – und in denen du dich positionieren musst: ‚Das lass ich mir nicht gefallen.‘

 

1.       Retour-Technik oder Kontern

Die Begriffe Schlagfertigkeit und kontern sind sehr eng miteinander verbunden. Wenn du einen verbalen Angriff schnell und präzise abwehrst, dann konterst du. Dabei nutzt du den Angriff für einen Gegenangriff. Du nimmst einen Teil davon auf – und verwendest ihn für deine Replik.

Ich stelle mir das immer ganz bildlich vor: da kommt ein verbaler Pfeil geflogen. Anstatt dass er dich aber trifft und dich niederstreckt, fängst du ihn gleichsam aus der Luft auf. Du schickst ihn mit deiner eigenen Kraft versehen dahin zurück, wo er hergekommen ist. Du biegst die Spitze der Offensive in Richtung deines Gegners zurück.

Kinder beherrschen oft die einfachste Form des Konterns sehr gut:

A: Du bist blöd.
B: Du bist auch blöd.

In dem Fall steckt zwar kein großer Witz und Scharfsinn hinter der Replik, aber der Angriff wird sicherlich sehr überzeugt und direkt zurückgegeben.

Die Retour-Technik eignet sich, wenn du dich mit fiesen Attacken oder Kränkungen konfrontiert siehst. Wenn dir jemand eine Falle stellt oder Witze auf deine Kosten macht. Natürlich auch bei leichteren Formen von verbalem Schlagabtausch, wie zB Frotzeleien unter Freundinnen.

Damit dein Konter funktioniert, sollte er dir glatt über die Lippen kommen und im Brustton der Überzeugung gesprochen sein: so direkt wie möglich, so gezielt wie möglich. Lieber noch mal kurz durchatmen und die Gedanken sammeln, um dann die Antwort flüssig sprechen zu können, als mit ‚äh, äh, äh‘ zu starten. Ein überzeugter und direkter Sprechausdruck macht dabei ein paar Sekunden Verzögerung mehr als wett.

Beispiele:  

A: Streng nicht dein schönes Köpfchen an.
B: Wenigstens ist in meinem Kopf was drin.

A: Du hast einen kleinen Horizont.
B: Wunderbar, dass du ein Fremdwort verwendet hast!

A: Sie reden immer dazwischen.
B: Sie wollen wohl der Einzige sein, der dazu was sagen kann.

 

2.       Besser-als-Technik

Auch mit der besser-alt-Technik kannst du gut kontern. In dem Fall unterstützt dich sogar noch eine Struktur, an der du dich festhalten kannst: nämlich dieses ‚besser als‘. Genau mit diesem Beginn baust du dann deine Replik auf.

Damit kannst du gut Vorwürfe entkräften, indem du eine Alternative einführst. Du bestreitest den Vorwurf nicht, sondern spielst ihn herunter. Und gleichzeitig setzt du zum Gegenangriff an.

Beispiele:

A: Besonders entscheidungsfreudig scheinst du nicht zu sein.
B: Besser genau abwägen und die richtige Entscheidung treffen, als unreflektiert daneben zu greifen.

A: Das Gespräch dreht sich im Kreis.
B: Besser, es dreht sich im Kreis, als es tritt auf der Stelle.

A: Ihr Vorschlag ist nicht realistisch.
B: Besser ein nicht realistischer Vorschlag, als gar keine Ideen einzubringen.
 

 
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3.       Übersetzer-Technik

Die Übersetzer-Technik eignet sich wunderbar, um eine Aussage zu sezieren. Das lohnt sich vor allem, wenn eine Äußerung vordergründig als Kompliment daherkommt, aber eine Spitze darin steckt. Bei diesen ‚Komplimenten durch die Blume‘, die dich unsicher machen, was genau der andere gemeint haben könnte. Die Übersetzer-Technik legt versteckte Vorwürfe offen und eignet sich auch wunderbar bei unsachlicher Kritik oder Beleidigungen.

Als Resultat einer Erwiderung mit der Übersetzer-Technik rudert der Gesprächspartner oft zurück. Vielleicht spielt er dann auch seinen Angriff herunter oder entschuldigt sich. Es ist eine Technik, die sehr gut dazu geeignet ist, das Gespräch zurück auf eine sachliche Grundlage zu bringen.

Beispiele: 

A: Sie sind total überqualifiziert für den Job.
B: Dann finden Sie also, dass ich alle erforderlichen Qualifikationen für diese Stelle mitbringe – und noch einige darüber hinaus.

A: Die anderen haben sich mit dieser Aufgabe nicht so schwer getan.
B: Wollen Sie damit sagen, dass ich das erforderliche Wissen dafür nicht habe?

A: Sie haben das Taktgefühl eines Vorschlaghammers.
B: Meinen Sie damit, dass ich mich nicht taktvoll genug verhalte?

 

4.       Gerade-weil-Technik

Auch bei dieser Technik unterstützt dich eine feststehende Anfangsformulierung, ähnlich wie bei der oben beschriebenen Besser-als-Technik. Mit der Gerade-weil-Technik kannst du Killerphrasen um 180 Grad in die andere Richtung drehen.

Dieses Drehen klappt besonders gut bei Vorwürfen. Der Trick dabei ist, dass der Vorwurf nicht bagatellisiert und abgestritten wird. Im Gegenteil: du fängst den Vorwurf auf, bestätigst ihn und führst dann einen damit verbundenen Vorteil ein. Diesen Vorteil solltest du dann aber wirklich bei der Hand haben. Aus ein und demselben Umstand ziehst du also komplett andere Schlüsse als dein Gegenüber.

Beispiele: 

A: Besonders entscheidungsfreudig bist du ja nicht.
B: Gerade weil ich mir mit meinen Entscheidungen Zeit lasse, sind sie gut abgewogen und besonders nachhaltig.

A: Sie haben doch gar keine Erfahrung damit.
B: Gerade weil ich noch nicht so erfahren bin, kann ich die Sache unvoreingenommen beurteilen.

A: Sie versuchen, sich aus der Verantwortung zu stehlen.
B: Gerade weil ich mich für das Projekt verantwortlich fühle, schlage ich diese Veränderungen vor.

A: Sie als intelligente Frau müssen mir doch mal zustimmen. 
B: Gerade weil ich eine intelligente Frau bin, hinterfrage ich Ihre Vorschläge kritisch. 

 

5.       Klartext reden und Distanzierung

Manche Äußerungen können einfach nicht witzig abgewehrt oder ignoriert werden. Und selbst ein gut sitzender Konter reicht dann nicht weit genug. Bei gewissen Angriffen braucht es eine klare Positionierung und dass du entschieden Grenzen ziehst.

Klartext zu reden und dich zu distanzieren empfiehlt sich bei wirklich kritischen Kommunikationssituationen: wenn etwas Wichtiges auf dem Spiel steht, wie zum Beispiel deine Wahrnehmung im Kollegenkreis oder das Renommee deiner Arbeit. Oder wenn sich jemand dir gegenüber verletzend äußert, dich beleidigt und sich krass im Ton vergreift.

Dann stellst du mit deiner Antwort klar, dass du dieses Verhalten oder diese Äußerung nicht akzeptierst und distanzierst dich deutlich davon. Das Ziel dabei ist, der anderen Person unmissverständlich klar zu machen, dass sie so nicht mit dir reden kann. Natürlich kannst du dann auch ankündigen, welche Konsequenzen du daraus ziehst und auf welche Umgangsformen du bestehst.

Beispiele: 

A: Sie werden das wohl nie lernen.
B: Das ist eine Beleidigung. Ich erwarte, dass Sie sich entschuldigen.

A: Sie sind eine dumme Zicke.
B: Ich erwarte, dass Sie solche Bemerkungen unterlassen. Ich möchte sachlich über dieses Thema reden.

A: Ich bin mir sicher, dass Sie das sowieso nicht begreifen.
B: Was Sie da sagen, ist ein Angriff. Damit torpedieren Sie das Gespräch.

A: Typisch Frau, immer so hysterisch.
B: Das ist eine Beleidigung und ein Klischee. Unterlassen Sie solche Bemerkungen.

 

Wie du Schlagfertigkeit üben kannst

Diese Techniken sind nur der Anfang auf deinem Weg zu mehr Schlagfertigkeit. Und natürlich bringt es nichts, dir das alles hier nur einmal durchzulesen. Nur aktives Üben lässt dich wirklich schlagfertiger werden.

So kannst du Schlagfertigkeit üben: sprich dir verschiedene Sätze, auf die du gerne eine schlagfertige Antwort geben würdest, auf Band. Überlege dir, wie du den einzelnen Sätzen gerne begegnen würdest. Schreib es dir ruhig auf und präge dir deine Repliken gut ein.

Dann spielst du das Band ab und gibst überzeugt auf jede Äußerung deine Entgegnung ab. Wiederhole das so lange, bis es sitzt und du dich selbst überzeugend findest. Das kann etwas dauern, aber mit jeder gepfefferten Antwort, die dir direkt über die Lippen kommt, wirst du sicherer.
 

Kontern trainieren wie eine Schauspielerin

Diese Art von Üben hat etwas vom Text-Lernen einer Schauspielerin für ein Stück. Und auch der Prozess dabei ist ähnlich. Am Anfang eiert die Schauspielerin bei jeder neuen Zeile etwas herum, ist sich unsicher, probiert verschiedene Sprechhaltungen aus.

Mit jedem Mal ‚machen‘ allerdings wird sie sicherer, und hat die richtige Erwiderung immer schneller parat.

Und bei der Aufführung schließlich hat die Schauspielerin ihre Zeilen so weit verinnerlicht, dass sie frei mit ihnen umgehen und sie in immer neuen Variationen anwenden kann.

Dann spult sie die Dinge nicht mehr ab, sondern fängt an, mit ihnen zu spielen. Sie ist nicht mehr von der Situation und den einzelnen Sätzen gefangen, sondern hat sie verfügbar und gewinnt dadurch eine neue Freiheit und Sicherheit.
 

Starte mit einer Technik, die dir leicht fällt.

Genau dieses Spielen mit Worten, mit Erwiderungen und vielleicht sogar mit dem einen oder anderen Wortwitz kannst du auch lernen. Knöpf dir zuerst eine der 5 Techniken vor, die dir liegt und leichtfällt. Übe sie so lange, bis du sie sicher abrufen kannst – und geh dann zur nächsten weiter.

Ich zum Beispiel mag sehr gerne die Gerade-weil-Technik, die fast schon eine weiche Technik ist. Mir gefällt sehr gut, dass sie Zusammenhänge in ein neues Licht stellt. Gleichzeitig kann ich damit auch höflich formulieren und trotzdem Grenzen setzen.

Weniger stark liegt mir das Kontern. Dabei sehe ich auch immer die Gefahr, auf die gleiche Ebene zu rutschen wie der Verbalangriff. Klartext zu reden hingegen tut mir in verfahrenen Kommunikations-Situationen sehr gut und hat schon so manchen Konflikt wieder auf eine sachliche Ebene zurück geführt. 

Auch du wirst dir sicherlich genau die Techniken greifen, die dir liegen und bei denen du authentisch kommunizieren kannst. 
 

Taste dich an deine Form von Schlagfertigkeit heran.

Es ist ok, dich langsam an das Thema Schlagfertigkeit heranzutasten. Und schlussendlich hängt es von vielen verschiedenen Faktoren ab, welche Technik in welcher Kommunikationssituation für dich funktioniert. Von der Situation an sich, mit wem du gerade redest, wie da das Hierarchieverhältnis ist oder wie gut du an einem bestimmten Tag drauf bist.

Vielleicht fällt dir ein Konter an einem Tag leichter, wenn du dich gut und stark fühlst. Vertrau deinem Bauchgefühl und deinem kommunikativen Gespür.

Schlagfertigkeit hat viel damit zu tun, Grenzen zu setzen und Dinge nicht unerwidert stehen zu lassen. Manchmal wirst du innerlich ausrasten und vielleicht nicht immer dabei ‚einen kühlen Kopf bewahren‘. Doch das Wichtigste ist, dass du reagierst:  schnell, souverän und selbstbewusst.