Welche Struktur optimal zu deinem Redeanlass passt
Sicher kennst du diese Situation: Du sollst in den nächsten Tagen in großer Meeting-Runde einen Überblick über den aktuellen Projekt-Stand geben.
Oder mal schnell auf einem Panel für die Maßnahmen deiner Organisation werben… Oder du willst als Trauzeugin auf der Hochzeit deiner besten Freundin eine Rede halten.
Zuerst Sprechstress bewältigen, dann gezielt strukturieren
Jetzt ist es natürlich in erster Linie gut, wenn du mit Sprechstress umgehen kannst. Dann musst du dir zumindest keine Gedanken darüber machen, dich in der Live-Situation zu verhaspeln, rot zu werden oder zu schnell zu sprechen.
Wenn die Nervosität jedoch auch zu deinen aktuellen Herausforderungen rund ums öffentliche Sprechen gehört, dann lies am besten nachher hier weiter (große Übersicht meiner wichtigsten Blogartikel rund um Sprechangst).
In zweiter Linie ist es hilfreich, wenn du eine Ahnung hast, wie du all deine Gedanken, Erfahrungen, Meinungen und deine Expertise zu deinem Thema in eine Reihenfolge bringst.
Das ist wichtig, damit du am Ende deines Termins auch wirklich alles gesagt hast, was relevant ist – und dein Publikum ganz genau Bescheid weiß. Und hier sind wir bei dem Thema ‚Struktur‘.
Es gibt verschiedene Strukturen für die unterschiedlichsten Redeanlässe.
Struktur und Ordnung beim Reden
Natürlich ist Struktur nicht unbedingt das Thema, bei dem die Menschen in Rhetorik-Seminaren automatisch leuchtende Augen bekommen.
Klingt nämlich ziemlich nach Aufräumen, nach Hintereinander-Packen, nach Ordnung. Laaangweilig!?
Dabei ist Struktur ein wirklich tolles rhetorisches Thema: Es wird soviel leichter, die Themen auf den Punkt zu bringen, Inhalte ansprechend, verständlich und informativ zu vermitteln und mit dem guten Gefühl aus der Präsentations-Situation rauszugehen: „Ich habe alles gesagt, was wichtig war!“
Eine einfache Formel für die jeweilige Sprechsituation
Starten kannst du einen Vorbereitungsprozess hinsichtlich der Redestruktur übrigens immer mit einer kleinen Fragerunde. Ich empfehle dafür diese Formel, denn in ihr ist alles enthalten, damit du die bevorstehende Sprechsituation gut durchdenken kannst:
Als WER spreche ich ZU WEM aus welchem ANLASS und mit welchem ZIEL?
Das ist die kleinste und gleichzeitig umfassende Sprechsituations-Analyse, die du machen kannst.
Und sie ist entscheidend, damit du dann deinen Redebeitrag möglichst genau auf dich als Redner:in, auf dein Publikum und auf das Thema ausrichtest.
Mögliche Antworten für die Analyse deiner Redesituation könnten dann sein:
Ich spreche als Umweltpädagogin in einem Naturschutzzentrum zu einer Gruppe von Landwirt:innen und Gemeindevertreter:innen anlässlich eines Informationsabends zum Schutz regionaler Feuchtgebiete um aufzuzeigen, wie nachhaltige Bewirtschaftung zur Erhaltung der Biodiversität beitragen kann.
Ich spreche als Geschäftsführerin eines mittelständischen Tech-Unternehmens zu potenziellen Investor:innen anlässlich einer Branchenkonferenz, um die neueste Innovation meines Unternehmens vorzustellen und Kapital für die Skalierung zu gewinnen.
Mit ‘als wer’ definierst du deine Rolle als Sprecher:in. Mit ‘zu wem’ nimmst du dein Publikum, deine Zielgruppe, in den Blick. ‘Anlässlich’ weist auf den Redeanlass hin, also den Grund deines Sprechens. ‘Um zu …’ zeigt den Nutzen auf, also das Ziel deines Sprechens.
Die Analyse deiner Redesituation führt dich zur passenden Struktur.
Diese kurze Analyse deiner Redesituation ist also der erste Schritt, um dann eine Entscheidung treffen zu können, welche Struktur zu deinem Redeanlass passt.
Sehen wir uns nun im nächsten Schritt an, welche Redegattungen überhaupt zur Auswahl stehen, damit du dann eine passende Entscheidung für deinen Sprechkontext treffen kannst.
Die klassische Rhetorik unterscheidet 3 Redegattungen, die bis heute relevant sind.
Das sind: Die beratende Rede (genus deliberativum), die gerichtliche Rede (genus iudiciale) und die feierliche Rede (genus demonstrativum). Sie unterscheiden sich sehr stark durch ihren jeweiligen Zweck.
Verständliche Strukturen für den modernen Kommunikationsalltag
Für den modernen Kommunikationsalltag finde ich die Begriffe Informationsrede, Überzeugungsrede und Anlassrede pragmatischer und in vielen Kontexten verständlicher.
Die Informationsrede
Informieren: Klarheit schaffen, Wissen vermitteln
In der Unterteilung der antiken Rhetorik entspricht die Informationsrede am ehesten der beratenden Form (genus deliberativum), wenn diese faktenbasiert bleibt.
Die typische Struktur einer Informationsrede ist sehr linear und dreigliedrig.
Thema einer Informationsrede könnte sein: „Wie sich Klimaveränderungen auf die Landwirtschaft auswirken“
Am Anfang führst du in das Thema ein.
Anfang: Anlass, Relevanz und Agenda
Am besten sagst du ein paar Worte zum Anlass, machst die Relevanz deutlich und verbalisierst dann die Agenda. Hier habe ich ausführlich zu dem Anfangsschema einer Informationsrede geschrieben.
Mittelteil: Verschiedene Informationsblöcke hintereinander
Nach dem Anfang folgt der Mittelteil: Nun gehst du die Informationsblöcke nacheinander durch. Du folgst dabei der Reihenfolge, die du in der Agenda ausgelegt hast.
Drei bis maximal vier Informationsblöcke sind absolut ausreichend. Es geht ja auch darum, dass dein Publikum das Wissen behalten kann – du musst es also nicht bis oben hin mit Fakten vollstopfen, die dann wieder vergessen werden. Merkfähigkeit ist wichtig.
Achte darauf, dass sich dein Publikum orientieren kann, wann du von einem Informationsblock zum nächsten wechselst. Es ist sinnvoll, wenn du die Gliederung für dein Publikum gut hörbar sprichst.
Du kannst also Sachen sagen wie: „Ich komme nun zu meinem ersten Punkt …“ / „Daran schließt sich der zweite Punkt an: …“ / „Nun werfen wir miteinander einen Blick auf den dritten wichtigen Aspekt: …“
Abschluss: Zusammenfassen, Ausblick geben
Nach dem Mittelteil gehst du in den Abschluss deiner Informationsrede. Fasse deine wichtigsten Punkte im Überblick zusammen und gib dann einen Ausblick oder eine Einschätzung, was nun folgen könnte.
Die Überzeugungsrede
Probleme aufdecken, Lösung anbieten, Nutzen herausstellen, Weg skizzieren
Eine Überzeugungsrede hältst du also immer dann, wenn aufgrund eines Problems eine Veränderung oder eine Entscheidung anstehen.
Überzeugungsreden werden z.B. in der Politik gehalten oder in aktivistischen Kontexten. Und natürlich bedient sich auch Werbung der Struktur einer Überzeugungsrede.
Thema einer Überzeugungsrede könnte sein: „Was du tun kannst, um nachhaltiger zu leben“.
Hier ist es deine Aufgabe, deinem Publikum das Problem plastisch vor Augen zu führen – es also spürbar zu machen. Die Rede hat dann eine klare Zielrichtung: Du willst dein Publikum von einem Standpunkt oder einer Handlung überzeugen.
Eine typische Struktur für die Überzeugungsrede sieht so aus:
Aufhänger: Zum Zuhören motivieren
Beginne mit etwas Konkretem, mit einer Szene, einem Bild oder einem Fakt, der emotional oder gedanklich wachrüttelt. Ziel ist es, Interesse und Aufmerksamkeit zu wecken.
Das Problem benennen und es plastisch machen
Mach das Problem greifbar und beschreibe, welche Auswirkungen es hat – für die Menschen im Raum, für eine bestimmte Gruppe oder für die Gesellschaft insgesamt.
Die Lösung präsentieren: Du bist überzeugt, dass das der beste Weg ist …
Stelle deinen Vorschlag, deine Maßnahme oder deinen Weg zur Veränderung klar vor. Zeige, wie er zur Verbesserung beiträgt.
Positive Konsequenzen aufzeigen: Alles wird besser!
Was wird besser, wenn dein Vorschlag umgesetzt wird? Welche Vorteile entstehen – kurz-, mittel- oder langfristig?
Weg skizzieren und Handlung einfordern
Damit sich dein Publikum die nun nötigen nächsten Schritte möglichst konkret vorstellen kannst, skizzierst du sie nun. Am Ende steht der Appell. Was soll dein Publikum tun? Wozu forderst du auf? Was ist der nächste Schritt?
Wenn du also dein Publikum in Bewegung bringen willst – sei es innerlich (z. B. durch einen Haltungswechsel) oder äußerlich (z. B. durch eine Handlung) – dann passt die Überzeugungsrede zu deinem Redeanlass.
Die Anlassrede
Das Leben feiern und einen besonderen Moment gestalten
Eine Anlassrede ist mehr als nur ein paar nette Worte. Sie ist ein sprachliches Innehalten. Ein Moment, in dem du den Blick lenkst: auf das, was gerade passiert, was zurückliegt – und was kommen darf.
Anders als bei der Informations- oder Überzeugungsrede steht hier nicht ein Wissensthema oder ein Problem im Mittelpunkt. Sondern ein Mensch, ein Ereignis oder ein gemeinsamer Moment. Es geht um Bedeutung. Um Würdigung. Um Gemeinschaft. Um das, was uns miteinander verbindet.
Die Anlassrede bewegt sich durch verschiedene Zeitzonen.
Du hältst eine Anlassrede bei einem besonderen Ereignis: einem Jubiläum, einer Preisverleihung, einem Abschied, einer Ehrung. Mit der Anlassrede bewegst du dich durch verschiedene Zeitebenen. Dabei folgt deine Rede einer dramaturgischen Dreiteilung, die sich sehr gut als Struktur nutzen lässt.
Beispiele für möglicher Redeanlass könnte sein:
„40 Jahre Engagement für Bildung – Ein Dank an unsere langjährige Kollegin Herta“
oder
„Wir feiern die Eröffnung unseres neuen Standorts – Ein Schritt in die Zukunft“
1. Der Anlass in der Gegenwart: Warum sind wir heute da?
Starte deine Rede im Hier und Jetzt.
Was genau feiern wir heute – und warum?
Wer ist da? Gibt es besondere Gäste?
Hat der Ort eine Bedeutung?
Oder das Datum?
Gibt es etwas an diesem Moment, das ihn einzigartig macht?
Dieser Einstieg darf emotional, freudig oder auch feierlich sein – je nach Kontext. Wichtig ist, dass du dein Publikum in diesen Moment mit hineinholst.
2. Der Rückblick: Was bisher geschah…
Nun richtest du den Blick zurück. Wie ist es zu diesem Ereignis gekommen?
Hier ist Raum für Geschichten, für Erinnerung, für Entwicklung.
Wähle zentrale Stationen, biografische Details oder gemeinsame Erlebnisse aus. Besonders wirkungsvoll wird dieser Teil, wenn du ihn anschaulich erzählst – also nicht nur Daten nennst, sondern Momente, Situationen beschreibst.
„Ich erinnere mich noch genau an den Tag, als …“ – so etwas wirkt viel stärker als „Im Jahr 2009 begann …“.
3. Der Ausblick: Was nun folgen soll…
Im letzten Teil deiner Rede blickst du nach vorn.
Was steht als Nächstes an?
Welche Pläne gibt es?
Welche Veränderungen erwarten uns – persönlich, organisatorisch oder gesellschaftlich?
Was wünscht du der Person oder den Beteiligten für die Zukunft?
Hier dürfen Zuversicht, Ermutigung und Wertschätzung eine große Rolle spielen. Denn mit deinem Schluss öffnest du das Feld für das, was kommt.
Typische Schlusssätze könnten lauten:
„Ich wünsche uns allen einen inspirierenden Abend – und nun: auf Ihr Wohl!“
oder
„Nun lasst uns miteinander ins nächste Schuljahr starten - ich freue mich auf alles, was kommt!”
Die Anlassrede muss nicht verkopft sein. Sie darf warmherzig und emotional ‘ans Herz gehend’ sein, ebenso wertschätzend wie klar strukturiert sein – und genau das transportieren, was der Moment verdient.
Fazit: Deine Redestruktur als Fundament für sicheres Auftreten
Wenn du unterscheiden kannst, welche Redestruktur zu welchem Redeanlass passt – dann hast du ein starkes Fundament.
Du bereitest deine Rede nicht mehr „aus dem Bauch heraus“ vor, sondern mit einem klaren Plan. Du weißt, wann du informierst, wann du überzeugst und wann du einen besonderen Moment gestaltest.
Das macht deine Reden nicht nur klarer, sondern auch souveräner.
Und es schenkt dir im Sprechen die Freiheit, dich auf das Wesentliche zu konzentrieren: den Kontakt zu deinem Publikum.
Redestrukturen üben, ausprobieren, anpassen …
Wenn du Lust hast, das in der Praxis auszuprobieren, dann komm gern in eines meiner Seminare. Dort kannst du diese Strukturen nicht nur kennenlernen – sondern auch üben, ausprobieren, mit Feedback anpassen und weiter verbessern.
Denn eine gute Rede entsteht nicht allein im Kopf. Es ist wichtig, dass du sie durchdenkst, sie stringent aufbaust und strukturierst.
Damit du sie dann, vor deinem begeisterten Publikum, Moment für Moment sprechend entstehen lassen kannst …