3 einfache Atemübungen, um Sprechangst zu reduzieren

 
 

Wenn du (Sprech-)Angst hast, wirkt sich das auf deine Atmung aus. Auf ein starkes Angstgeschehen gibt es 3 Standard-Reaktionen: Fight, flight or freeze. Also Kampf, Flucht oder Erstarren/ Einfrieren.

Das gilt seit Urzeiten, also seitdem Menschen häufiger (als heute) plötzlich einem Bären oder Mammut gegenüberstanden. Dann gab es die Wahl: Entweder gegen das riesenhafte Tier zu kämpfen und es zur Strecke zu bringen; schnell davonzulaufen und auf den nächsten Baum zu klettern – oder einfrieren und sich totstellen.

Sprechangst wirkt sich auf die Atmung aus.

Diese Reaktionen auf Angst sind also alle sehr alt – und sie haben einen Effekt auf deine Atmung. Um gegen eine Bedrohung zu kämpfen oder um loszurennen, musst du anders atmen, als wenn du gemütlich mit deinen Lieben ums abendliche Lagerfeuer sitzt. Deine Atmung verändert sich, je nachdem, ob du dich ‚unsichtbar‘ machst, kraftvoll ein Lied schmetterst oder am Ende eines langen Tages einschläfst.

Deine Atmung verändert sich auch, wenn du Sprechangst hast. Viele Menschen beschreiben dann, dass sie ‚gar nicht mehr richtig zu Luft kommen‘‚ ‚plötzlich nur mehr so hoch atmen‘ oder ‚kurzatmig‘ werden. Manche sprechen auch von stimmlichen Symptomen, die aber natürlich mit der Atmung zusammenhängen: ‚Meine Stimme rutscht hoch.‘ Oder: ‚Plötzlich ist meine Stimme ganz weg.‘

 

Sprechangst Atemzug für Atemzug reduzieren.

In diesem Blogartikel erfährst du einige Hintergründe zum Thema Atmung und ich stelle dir 3 einfache Atemübungen vor, die du machen kannst, wenn die Sprechangst reinhaut.

Diese Atemübungen unterstützen dich dabei, dich wieder mit deiner Atmung auf eine achtsame Art zu verbinden. So kannst du, Atemzug für Atemzug, deine Sprechangst reduzieren.

Die Atmung ist die einzige Vitalfunktion, die sowohl unbewusst abläuft, als auch willentlich gesteuert und verändert werden kann. Für das Sprechen vor und mit anderen brauchst du einen aktivierten Körper und stimmliche Kraft.

Deine Atmung achtsam wahrnehmen

Wenn du dich mit deinem Sprechen und deiner Stimme auseinandersetzt, kommst du auch in Kontakt mit deiner Atmung. Und tatsächlich ist deine Atmung fürs Sprechen die absolute Grundlage. Deswegen ist es immer eine gute Idee, wenn du anfängst, deinen Atem in den unterschiedlichsten Situationen wahrzunehmen: etwa, wenn du ganz ruhig atmest, wenn du ‚richtig was leistest‘, z.B. beim Sport oder eben beim Sprechen.

Nehmen wir zuerst die 3 verschiedenen Atemtypen auseinander.

 

3 verschiedene Atemtypen

Ruheatmung: Wenn der Körper ruhig & entspannt ist.

Sie wird auch Bauchatmung, Zwerchfellatmung oder Tiefatmung genannt. Das ist die Atmung, die du in Momenten physiologischer Ruhe beobachten kannst. Sie tritt auch z.B. im Schlaf auf. Sie folgt dem Rhythmus Einatmen – Ausatmen – Pause. Ein- und Ausatmungsphase dauern etwa gleich lang.

Leistungsatmung: Wenn der Körper gerade richtig auf Touren ist.

Sie trägt auch die Namen Brustatmung, Hochatmung oder Stressatmung. In der Einatemphase werden die Rippen angehoben und der Brustkorb weitet sich. Auch die Muskulatur des Schultergürtels unterstützt die Einatmungsbewegung.

Oft sind diese beiden Atem-Typen Ruheatmung und Leistungsatmung nicht isoliert zu betrachten. Vielmehr ist jeweils eine Tendenz zu einem bestimmten Atem-Typus feststellbar.

Die Atmung wird nämlich jeweils unbewusst situationsangemessen reguliert.

Sprechatmung: Wenn das beste aus beiden Welten kombiniert wird.

Sie wird auch als kombinierte Atmung bezeichnet oder als Vollatmung. Die Sprechatmung ist eher der Ruheatmung verwandt, jedoch kennzeichnet sie sich durch eine leicht verlängerte Phase der Ausatmung. Zudem ist das eingeatmete Luft-Volumen größer.

Achte auf deine Atmungsbewegung: Bei der Sprechatmung wölbt sich bei der Einatmung die Bauchdecke und der untere Brustkorb weitet sich, während der Schultergürtel ruhiggestellt ist.

Atmen während des Sprechens

Wenn du richtig einatmest, reicht die eingeatmete Luftmenge zum Sprechen immer aus. Du musst also nicht nach Luft schnappen.

Es ist auch nicht empfehlenswert, vor dem Sprechen absichtlich tief einzuatmen. Achte vielmehr darauf, bewusst auszuatmen. Dann den Atem entspannt wieder einströmen lassen. Denn wenn du das Gefühl hast, nicht genügend Luft zum Sprechen zu haben, dann hast du nicht wirklich ausgeatmet.

Sprechatmung kombiniert im Idealfall Mund- und Nasenatmung. Achte darauf, in den großen Sprechpausen durch die Nase einzuatmen. Dadurch wird die Luft im Nasenbereich gereinigt und befeuchtet.

 

Über die Atmung hast du Einfluss auf körperliche Spannung.

Über die Atmung kannst du direkten Einfluss auf deine körperlichen Spannungszustände nehmen und damit sogar indirekt den Blutdruck und das Herzrhythmus beeinflussen.

Durch eine richtige Sprechatmung kannst du Verspannungen abbauen und somit auch Nervosität und Sprechangst entgegenwirken. Doch auch schon vor einer mit Spannung erwarteten Sprechsituation kannst du die Atmung nutzen, um ruhiger zu werden und den Stresspegel deutlich zu reduzieren.

Den Atem als Anker in Stress-Situationen benutzen

Der Atem ist der Anker, um in Stress-Situationen bei dir zu bleiben und wieder ‚runterzufahren‘. Nimm dazu den Atem wahr, mit seinem Kommen und Gehen. Spüre genau, wo du die Atembewegungen am deutlichsten wahrnimmst.

Dann kannst du ganz sanft die Ausatemphase ein Stückchen verlängern: dadurch fahren die Stress-Hormone runter. Mit jedem Atemzug verankerst du dich aufs Neue bei dir. Die besondere Heilungskraft des Atems in Stress-Situationen zeigt sich etwa auch in diesem Sprichwort: ‚Einfach mal tief durchatmen.‘

 

3 Atemübungen, um den Stresspegel deutlich zu reduzieren

  1. Einatmen. Ausatmen. Pause.

Das ist eine meiner liebsten Übungen, weil sie so vielseitig und variabel ist. Ich habe sie in der Stimmtherapeutischen Weiterbildung des Instituts Schlaffhorst-Andersen kennengelernt, mit dem ich mich auch durch einige liebe Kolleginnen sehr warm verbunden fühle.

Mit dieser Übung spürst du dem dreiteiligen Atemrhythmus nach und probierst das immer gleiche Prinzip in verschiedenen Varianten aus.

Dem dreiteiligen Atemrhythmus nachspüren

Der dreiteilige Atemrhythmus besteht 3 Phasen: aus Einatmung, Ausatmung und der kurzen Pause danach. Dieses Prinzip von Einatmung, Ausatmung, Pause kannst du auch auf Lebens-Prozesse übertragen: Wo du sehr viel aufnimmst (Einatmung, Inspiration) und sehr viel gibst (Ausatmung, verbunden mit Sprechen) – da brauchst du auch eine Pause.

Die kurze Atem-Pause nach der Ausatmung dient der Regeneration und Neu-Ausrichtung.

Versuche, dem dreiteiligen Atemrhythmus bei folgenden Bewegungen nachzuspüren: Einatmend ziehst du den Unterarm nach oben zur Brust und machst dabei mit der Hand eine Faust. Ausatmend lässt du den Unterarm wieder sinken und spreizt dabei die Finger. In der kurzen Atempause lässt du die Hand & Arm einfach locker. Du wartest auf den nächsten ‚Einatemhunger‘ und ziehst den Arm wieder nach oben zur Brust, usw., usw.

Einfache Atemübung im Meeting und bei Vorstellungsrunden

Das gleiche Prinzip kannst du auch in der ‚Meetingtisch-Übung‘ anwenden. Sie heißt so, weil du sie unbemerkt am Meetingtisch sitzend mit der Hand auf deinem Schoß machen kannst. Sie eignet sich also für all jene Situationen, bei denen du weißt, dass du ‘gleich etwas sagen’ musst. Gut einsetzbar ist sie auch bei Vorstellungsrunden, wenn du absehen kannst, wann die Reihe an dir ist.

Zu Beginn liegt deine Hand locker am Oberschenkel, mit den Handflächen nach oben: Einatmend führst du deine Hand zu einer Faust zusammen. Ausatmend öffnest du die Hand, wobei du die Finger spreizt. In der Atempause lässt du deine Hand einfach locker liegen.

Der dreiteilige Atemrhythmus ist ein Wirkunsgprinzip.

Hier merkst du schon, dass das ein Prinzip ist: In der Einatmung holst du dir einen Körperteil ran, ausatmend bringst du Weite und Streckung in die Bewegung und in der Pause lässt du einfach locker. Wenn du dieses Prinzip verstanden hast, kannst du so auch deine eigenen Übungsfolgen bauen und immer weiter dem dreiteiligen Atemrhythmus nachspüren.  

 

2. Resonanz-Atmung

Der einfachste Weg, deine Atmung wahrzunehmen und gleichzeitig Stress zu reduzieren, ist die sogenannte Resonanzatmung. Dabei zählst du innerlich mit, während du atmest. Du atmest 4 Sekunden ein, und danach wieder 4 Sekunden aus. Wiederholen. Wiederholen. Wiederholen.

Am besten zählst du dabei unhörbar innerlich mit: Einatmen, 1-2-3-4; Ausatmen 4-3-2-1

Durch die Atmung hast du indirekt Einfluss auf den Blutdruck und den Herzschlag und kannst damit das physisch wahrnehmbare Stresserleben deutlich reduzieren.

Atmen und in Gedanken zählen

Eine Variante dieser Übung, durch die sich noch schneller Stress reduzieren lässt, legt den Fokus mehr auf die Ausatmung. Dann atmest du z.B. ein, während du bis 4 zählst. Du hältst den Atem und zählst dabei bis 2. Danach atmest du aus, während du bis 6 zählst.

Probiere am besten mit diesen verschiedenen Formen der Resonanzatmung ein bisschen rum, bis du für dich und deinen Atemzyklus die optimale Zählweise gefunden hast. Ein gutes Zeichen ist es immer, wenn sich das Atem ‚leicht‘ anfühlt und du merkst, dass du loslassen und entspannen kannst.

 

3. Atem-Geländer

Das ist eine gute und besonders achtsame Übung, um dich im Atmen neu zu verankern. Dabei legst du den kleinen Finger und den Daumen der rechten Hand ganz locker aneinander: Atmest in dieser Haltung ein – und aus.

Wenn die Ausatmung zu Ende ist, löst du die Finger voneinander und legst nun Daumen und Ringfinger für den nächsten Atemzyklus aneinander. Dann folgen Daumen und Mittelfinger; Daumen und Zeigefinger.

Schließlich wechselst du zur linken Hand und legst auch da, ein- und ausatmend, die Finger jeweils aneinander.

In insgesamt 8 Atemzügen hast du dich einmal durchs ‚Atemgeländer‘ geatmet – und bist sicherlich deutlich ruhiger & fokussierter geworden.

 

Die eigene Atmung liebevoll kennenlernen

Deine Atmung kennenzulernen, dem eigenen Atemrhythmus nachzuspüren und ihn dann auch in stressigen Situationen bewusst wahrzunehmen, ist ein Prozess.

Ich erlebe es im Training auch immer wieder, dass manche Menschen zuerst gar nichts mit Atemübungen anfangen können – und das ist auch vollkommen okay so. Manchmal helfen dann Mentalübungen oder andere ‚Anker‘ besser, um Stress abzubauen und Sprechangst zu reduzieren.

Wichtig ist nur, dass du einfach anfängst. Verschiedene Dinge ausprobierst. Nachspürst, was etwas für dich sein könnte. Nur durch die liebevolle und achtsame Auseinandersetzung mit deiner Sprechangst kannst du sie auch verändern, Schritt für Schritt. Oder: Atemzug für Atemzug.