Ohne diese Wörter kommunizierst du kraftvoller

 
Klein machen. Rhetorik Training.png
 

Es passiert. Auch mir. Besonders, wenn ich niemandem ‚auf die Füße treten‘ will. In schwierigen Gesprächen. Wenn ich unsicher werde. Wenn etwas in mir mich zurückhält und ich mich nicht so zeigen kann, wie ich sein will. Dann fange ich an, seltsame Wörter zu benutzen.

Ich nenne dieses Verhalten bei mir und anderen Frauen: auf der verbalen Ebene rumeiern. Jessica Bennett bezeichnet dieses Phänomen in ihrem Buch ‘Feminist Fight Club’ mit: verwässernde Sprache benutzen.

Es geht darum, Aussagen durch sprachliche Weichmacher zu entschärfen, ihnen etwas von ihrer Klarheit und Direktheit zu nehmen. Das kann durchaus verständliche innere Gründe haben, hört sich aber im Extremfall so an:

'Entschuldigung, äh, ich will eigentlich nur sagen, dass … ich weiß auch nicht so recht. Aber es ist sozusagen so, als ob …'
 

Ein sprachlicher Weichmacher jagt den nächsten und es dauert laaange, bis du zum Punkt kommst. Dann haben deine Gesprächspartner*innen entweder schon innerlich abgeschaltet oder ein Urteil über deine Kompetenz getroffen. Möglicherweise auch beides.

Wen ich mir selbst aufmerksam beim Sprechen zuhöre, kann ich die Weichmacher mittlerweile gut weglassen. Und ich habe meine Wahrnehmung dafür geschärft, für welche Wörter und Wendungen ich ‘anfällig’ bin. Für manche mehr als für andere. Ich weiß, in welchen Situationen ich dazu tendiere, sie zu benutzen und was ich dabei innerlich wahrnehme.

 

Wann benutze ich diese Wörter - und warum? 

Mit steigender Aufmerksamkeit auf mein eigenes Sprechen habe ich angefangen, diese Ausdrücke nicht mehr nur bei mir selbst wahrzunehmen. Immer öfter habe ich sie nun in Gesprächen mit anderen Frauen herausgehört. Oder in fremden Unterhaltungen mitgehört. Auch in Reden und Präsentationen begegnen sie mir regelmäßig. Schließlich ist es mein Job, anderen beim Sprechen zuzuhören.

Es war, als würden meine Ohren aufgehen. Die 'kleinen Wörter' im Sprechen von Frauen waren plötzlich überall: Am Beginn einer Rede. Während einleitender Sätze und in Selbst-Erklärungen. Wenn eine Frau ihre Leistungen herausstellen wollte, aber sich nicht so ganz traute. Wenn sie zu einer Bitte ‘Nein’ sagen wollte. Wenn sie einen Sachverhalt erklären wollte und dabei plötzlich unsicher wurde. Oder wenn es darum ging, die Lorbeeren für ein Projekt zu kassieren. 

Im Rhetorik Training weise ich dann beim Feedback-Geben darauf hin und auch in meinen Seminaren sind die sprachlichen Weichmacher immer ein Thema. Die meisten Frauen haben zwar eine Ahnung, zu welchen Wendungen sie gerne greifen - haben aber wenig ‘Handhabe’ während des Sprech-Prozesses, um sie wirklich wegzulassen.

Wir fragen uns dann miteinander, warum diese verwässernden Begriffe sich in die Kommunikation eingeschlichen haben. Warum benutzen wir so oft eine Sprache, die uns nicht nützt? Die sogar schädlich sein kann, wenn wir kompetent wirken wollen? Warum lassen wir zu, dass uns beim Sprechen etwas klein macht?

 

Was diese Wörter mit dem Sprechen von Frauen machen

Paradoxerweise tauchen diese Wörter immer dann besonders gern auf, wenn Frauen versuchen, ihre Haltungen zum Ausdruck zu bringen. Wenn es wichtig ist, etwas auf den Punkt zu bringen und so klar wie möglich zu kommunizieren. Oder wenn befürchtet wird, dass eine bestimmte Aussage die Erwartungen anderer Leute enttäuscht.

Diese verwässernde Sprechweise schleicht sich in jedwede Art von Kommunikation ein: im beruflichen Kontext wird der Umgang mit ihr zur besonderen Herausforderung. Sätze von starken und selbstbewussten Frauen klingen dann wie ein innerer Kampf. Ideen werden mitgeteilt, und im gleichen Atemzug klein geredet. Oder eine Aussage enthält so viele sprachliche Weichmacher, dass die Botschaft untergeht.

Wiederholt begegne ich dem Versuch, etwas zu sagen und gleichzeitig etwas zurückzuhalten. Manchmal ist das sprachliche Sich-Winden auch körperlich zu sehen: durch verdrehte Handgelenke, verknotete Beine oder ausweichende Hüftbewegungen. Die innere sprachliche Zerreißprobe bahnt sich den sichtbaren Weg nach außen. Mit jeder Äußerung ist ein Gefühl verbunden, das im Körper sichtbar wird.

 

Warum machen sich Frauen beim Sprechen klein?

Wie finden so viele sprachliche Weichmacher den Weg in Kommunikation von Frauen? Ich bin überzeugt: Es ist die Folge eines großen inneren Drucks, den viele von uns spüren. Auf der einen Seite möchten wir mitteilen, worauf es uns wirklich ankommt. Aber die Angst ist groß, dabei als zu herrisch, zu rechthaberisch, zu stark, zu dominant und zu aggressiv oder arrogant wahrgenommen zu werden. 

Denn auf negative Wahrnehmung von außen folgt oft das Abgestraft-Werden: das haben viele von uns schon leidvoll erfahren. Da gibt’s den blöden Kommentar eines Kollegen, dort die hochgezogene Augenbraue der Chefin. Hartnäckig hält sich rund um das Sprechen von Frauen eine Doppelmoral: selbstbewusst und direkt, ja bitte - aber auch nicht zu sehr, denn dann klingt’s gleich arrogant oder besserwisserisch. Wie frau es auch macht, ist es manchmal verkehrt - und das wiederum wirkt sich natürlich auch aufs Selbstvertrauen aus.

Dieser kämpferische Artikel auf EditionF von Yasemin Akdemir thematisiert den inneren Zwiespalt von Frauen, gefangen zwischen der Angst vor Arroganz und dem Ringen um Authentizität, sehr gut: Wirke ich arrogant? 

Oft wirken auch noch Bilder und Ansprüche nach, wie Frauen eigentlich kommunizieren oder sein sollten: nett, ruhig, flexibel und auf Ausgleich bedacht. Nicht zu laut werden, nicht zu direkt und bitte nicht zu viele Gefühle zeigen. Na, wie denn nun?

Diese inneren Bilder, die angenommenen Erwartungen, Angst vor Kritik oder abschätzigen Reaktionen verbinden sich zu einer inneren Zerreißprobe, die sich sprachlich niederschlägt. Unvereinbares soll unter einen Hut gebracht werden. Als verständliches Resultat dieses Versuchs schleichen sich verschiedene ‚kleine‘ Wörter in die Kommunikation ein. Sie haben jedoch einen großen Effekt – und keinen guten.

Wörter legen offen, was wir verbergen wollen.

Mit diesen Wörtern machen wir unsere Botschaft und letztlich uns selbst klein. Sie legen das offen, was wir am meisten verbergen wollen: unsere Unsicherheiten und Selbst-Zweifel. Das ist umso gefährlicher, je weniger wir uns dessen bewusst sind.

Linguisten nennen diese kleinen Einschübe ‚Hedges‘. Forschungen haben ergeben, dass Menschen mit geringerer Macht und einem niedrigeren Status mehr Hedges verwenden. Generell benutzen durch alle Bildungs- und sozialen Schichten hinweg Frauen mehr Hedges als Männer.

 

Um welche Wörtchen und Worte es konkret geht: 

Schauen wir uns diese Muster und Wendungen an – und lassen wir nicht mehr zu, dass sie unsere Kommunikation aushöhlen. Hier sind sie:

1.    Irgendwie/ ziemlich/ sozusagen:

„Ich denke irgendwie, dass das so nicht passt.“
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass…“
„Das ist sozusagen ein XYZ.“

Diese Wörter fließen oft in Sätze ein, wenn wir in unseren Aussagen abmildern wollen. Oder wenn etwas uns zurückhält, unsere Ideen mit großer Sicherheit auszusprechen.
 

2.    Eigentlich:

"Ich habe eigentlich eine Frage.“
„Ich sehe das eigentlich anders.“

Das Wort ‚eigentlich‘ lässt unsere Aussagen so klingen, als wären wir überrascht oder als würden die Dinge eigentlich anders liegen. Es führt dazu, dass eine Aussage ein Stück weit zurückgezogen wird.
 

3.    Nur:

„Ich frage mich nur, ob…“
„Ich wollte nur mal kurz sagen, dass…“

‚Nur‘ taucht oft auf, wenn wir uns seltsam fühlen mit dem, was wir sagen. Gleichzeitig wollen wir vermitteln, dass wir keine aggressiven Absichten hegen. Doch dieses kleine Wort erweckt den Eindruck, als müssten wir uns rechtfertigen oder entschuldigen.
 

4.    Entschuldigung, aber…

„Entschuldigung, dass ich frage, aber…“
„Verzeihen Sie die Störung, aber…“
„Entschuldige, aber ich sehe das so…“

Natürlich gibt es hin und wieder auch einen guten Grund, sich zu entschuldigen. Frauen benutzen aber Entschuldigungen oft, wenn sie einfach nur eine Frage stellen wollen. Oder aus Angst, zu viel Platz und Aufmerksamkeit einzunehmen.

Stell die Frage. Sag den Satz.
 

5.    Ein bisschen/ ein kleines bisschen:

„Ich möchte euch heute ein kleines bisschen was über XYZ erzählen…“
„Ich bin ein bisschen schockiert, dass…“

Diese Worte machen das, was wir zu sagen haben, klein. Natürlich ist es ist großartig, beim Reden auf den Punkt zu kommen und dafür nicht viel Zeit zu brauchen. Aber wir können das auch machen, ohne vorher anzukündigen, ‚nur ein bisschen Zeit‘ zu brauchen.

Und unsere Gefühle und Wahrnehmungen dürfen da sein, ohne verkleinert zu werden.

 

Weißt du, was du sagst? 

Kraftvoller kommunizieren. Rhetorik Training.png

Die meisten Frauen haben eine Ahnung, zu welchen Wendungen sie neigen. Wann immer ich in einem Seminar eine Übung dazu mache, können sich die Teilnehmerinnen aus einem Zettelhaufen sofort ihre Wörter herausziehen. Auch du kannst leicht herausfinden, zu welchen Wörtern und Worten du bevorzugt greifst.

Hör dir selbst genau zu in den nächsten Tagen und in unterschiedlichen Kommunikationssituationen: bei der Diskussion mit deinem Freund, der Verhandlung mit deinem Chef oder im Kundengespräch.

Wenn du weißt, welche Wörter du benutzt, kannst du sie bewusst weglassen. So kommunizierst du mit mehr Kraft und Klarheit. Wenn du die Befürchtung hast, dass du dann als ‘zu herrisch’ wahrgenommen wirst, mach dir im nächsten Schritt auch deine Sprech-Haltung bewusst. Du kannst deine Aussage klar formulieren und dabei einen freundlichen Unterton haben. Du kannst eine starke Ansage machen und dabei deine innere Überzeugung und Begeisterung durchscheinen lassen.

Das geht nicht komplett von einem Tag auf den anderen. Viele Wörter und wie wir sie benutzen, sind tief mit der Art unseres Sprechens und letztlich unserem Selbstbild verbunden. Hab Geduld mit dir. 

Wörter haben eine große Macht. Du kannst sie dir zunutze machen. Du kannst entscheiden, welche du verwendest, welche du weglässt und womit du deine Kommunikation stattdessen würzen willst.

Wenn du zunehmend eine aufmerksame Wahrnehmung für dein Sprechen entwickelst, wird es einfacher. Diese Art der Übung lohnt sich: für dich, für mich, für jede von uns. Wort für Wort.