Warum deine Stimme beim Sprechen hochrutscht

 
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Sicher ist dir schon mal aufgefallen, dass sich deine Stimme im Laufe des Tages und je nach deiner Gefühlslage verändert. Wenn du abends entspannt auf dem Sofa liegst, klingt sie etwas anders als wenn du deinen Vortrag mit reichlich Lampenfieber gerade beginnst oder wenn du dich so richtig über einen Kollegen ärgerst.

Manche Sprech-Situationen treiben die Stimme regelrecht in die Höhe: ich stelle dir 4 Gründe vor, warum du zu hoch sprichst.

 

Deine Stimme verändert sich mit deiner Stimmung.

Deine Stimme klingt mal höher und mal tiefer, angestrengter oder entspannter, resonanzreich oder ganz flach. Wie auch der Körperausdruck ist die Stimme an deine aktuelle Gefühlslage angeschlossen: Inneres und stimmlich Hörbares sind verbunden. Es heißt nicht umsonst: ‘Stimme und Stimmung’ – da gibt es einen engen Zusammenhang.

Viele Frauen beschreiben, dass ihre Stimme ihnen beim Sprechen in bestimmten Momenten hochrutscht. Dass sie dann plötzlich angestrengt, piepsig oder schrill klingt. Und dass sie dieses hohe Sprechen schwer wieder abstellen können – gerade, wenn die Kommunikations-Situation auch emotional belastend ist oder sie unter großem Stress stehen.

Immer wieder bekomme ich dann die Frage gestellt: ‚Warum spreche ich so hoch?‘ und ‚Wie kann ich verhindern, dass meine Stimme hochrutscht?‘ Oder: ‚Ich bekommen gesagt, dass ich so hysterisch klinge: wie finde ich wieder zu meiner normalen Stimme zurück?‘

 

Frauenstimmen, die resonanzreich und hoch sind

Dabei ist es mir wichtig zu betonen, dass hohe Frauenstimmen in einer entspannten Sprechstimmlage, die resonanzreich und voll klingen, kein Problem darstellen. Je nachdem, wie groß der Kehlkopf ist und wie lang die Stimmlippen, haben Menschen eine höhere oder tiefere Stimme.

Hohe oder tiefe Stimmen sind also auch physiologisch bedingt . Es darf nicht das Ziel sein, eine gesunde höherklingende Stimme ‚runterzudrücken‘. Das kann auf Dauer zu Stimmschäden führen.

Beim unwillentlichen Hochrutschen der Stimme verlässt du jedoch deinen Hauptsprechtonbereich. Dieser Hauptsprechtonbereich wird auch Indifferenzlage genannt: das ist der Tonbereich deiner Stimme, in dem sie entspannt klingt. Da ist deine Stimme ‘zu Hause’.

Wenn du in deiner Indifferenzlage sprichst, brauchst du relativ wenig Kraft und kannst trotzdem für längere Zeit resonanzreich und verständlich sprechen. Deine Zuhörer*innen können dir ohne Anstrengung folgen, weil für dich das Sprechen eben anstrengungsfrei ist.

 

Spannungszustände der Stimme übertragen sich beim Sprechen auf andere Personen.

Deine Spannungszustände beim Sprechen übertragen sich nämlich auf die Hörer*innen. Wir übernehmen sie ganz unbewusst. Das wird funktioneller Nachvollzug genannt und funktioniert so:

Stell dir vor, du hörst über längere Zeit einer Person zu, die sich ständig räuspert. Irgendwann wirst du auch das Bedürfnis haben, dich zu räuspern und es schließlich auch tun. Oder wenn du mit einer Person sprichst, die sehr heiser ist: nach einer Weile wirst du auch dieses Kratzen im Hals spüren und wenn du dann sprichst, vielleicht auch heiser klingen.

Das ist auch der Grund, warum plötzlich so viele Leute in einem Theatersaal anfangen zu husten, wenn die Schauspielerin z.B. ständig über ihre stimmliche Leistungsgrenze geht und immer angespannter klingt. Das wird von einzelnen Personen im Publikum unbewusst nachvollzogen und eine fängt zu husten an.

Daraufhin zieht sich das Husten wie ein Lauffeuer immer weiter. Das macht es natürlich der stimmlich angeschlagenen Person auf der Bühne noch schwerer, durchzukommen. Sie geht mit noch mehr Kraft ans Sprechen ran, klingt immer heiserer und ein Teufelskreis setzt sich in Gang…

 

Wenn du länger hoch sprichst, als für deine Stimme gut ist…

Wenn du für eine längere Zeit überhöht sprichst, hört dein Gegenüber das natürlich auch. Deine Stimmlippen sind stärker gespannt als sonst, du brauchst mehr Kraft. Wahrscheinlich bist du innerlich dann auch ziemlich angespannt oder angestrengt. Es gibt auch Situationen, in denen du natürlicherweise für eine kurze Zeitdauer etwas höher sprichst: bei Überraschung, Freude oder Ärger. Das darf auch weiterhin so sein.

Problematisch ist es, wenn du über einen längeren Zeitraum höher sprichst, als es für dich gut ist. Deine Stimme klingt dann nicht nur höher, sondern auch schwächer: die Kraft reicht nicht lange und das Sprechen wird immer anstrengender für dich.

Doch warum passiert es überhaupt, dass du deine Indifferenzlage verlässt und höher sprichst, obwohl das nicht optimal für deine Stimme ist?

Ich stelle dir 4 Gründe vor, warum es dir passiert, dass du in überhöhter Stimmlage sprichst. Wenn du dir dieser Zusammenhänge bewusst wirst, deine Stimme immer genauer kennenlernst und wo sie natürlicherweise verortet ist, dann kannst du leicht wieder zu deiner Indifferenzlage zurückkehren.

  1. Du sprichst zu hoch, weil du aufgeregt bist.

Du willst gerade mit deinem Vortrag beginnen, dein Herz klopft bis zum Hals und du sagst deinen ersten Satz. Und dann das: deine Stimme klingt gar nicht wie deine Stimme, sondern fremd und hoch. Schlimmer noch: du hast den Eindruck, dass du keinerlei Kontrolle darüber hast, wie sie klingt.

Bei Lampenfieber, großer Aufregung und Nervosität passiert es besonders häufig, dass die Stimme hochrutscht. Das ist also eine sehr typische Situation, wenn es ums überhöhte Sprechen geht: du bist mit dieser Auswirkung von Lampenfieber nicht allein.

Bei Lampenfieber ist deine Muskelspannung ist erhöht und die Leistungs- oder Brustatmung aktiviert. Das macht physiologisch Sinn, wenn es darum geht, vor einem Tiger zu flüchten: du könntest besonders schnell vor der angstauslösenden Situation davonlaufen.

Beim Sprechen vor Publikum jedoch ist diese besondere körperliche Aktiviertheit hinderlich: die Stimme klingt flattrig, zittrig und deutlich höher als sonst. Du kannst gegensteuern, indem du schon im Vorfeld deines Sprechens auf eine vertiefte Bauchatmung achtest: das senkt die Stresshormone und macht dich ruhiger.

Während des Sprechens senke die Stimme am Ende eines Satzes bewusst ab, mach einen Punkt und deutliche Sprechpausen. Dadurch führst du die Stimme in ihre Lösungstiefe, die Spannung vergeht und die Atmung wird wieder tiefer.

 
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2. Du willst höflich oder liebevoll klingen und sprichst deswegen überhöht.

Frauen in Dienstleistungsberufen sind besonders betroffen: die Kellnerin, die Arzthelferin oder auch Callcenter-Agents. Sie wollen freundlich und höflich klingen, und dadurch rutscht die Stimme unbewusst hoch. Besonders, wenn die innere Haltung der äußerlich zur Schau getragenen Höflichkeit gar nicht entspricht. Das passiert etwa, weil die Kund*innen in Wirklichkeit fürchterlich nerven und das aber nicht gezeigt werden kann.

Besonders oft sind von dieser Art der überhöhten Sprechweise auch Erzieherinnen oder junge Mütter betroffen, weil sie viel mit Kindern kommunizieren. Die Stimme passt sich unbewusst der deutlich höheren Sprechstimmlage der Kinderstimmen an und klingt deswegen höher, als gut für sie ist.

Gleichzeitig versuchen Mütter mit kleinen Kindern oft trotz der großen emotionalen und körperlichen Anstrengung, die das Kinder-Aufziehen bedeutet, liebevoll und fröhlich zu klingen. Die Stimme rutscht also hoch wegen der Anpassung und gleichzeitig stimmen inneres Empfinden (Müde! Angestrengt! Alles zu viel!) und äußerer stimmlicher Ausdruck nicht überein.

Die Stimme ermüdet bei fortwährendem überhöhtem Sprechen schnell und wirkt besonders oft angestrengt. Wenn dann nicht die Notbremse gezogen und ein stimmschonenderes Verhalten geübt wird, sind oft wirkliche Stimmstörungen die Folge. Diese beschriebene stimmliche Abwärts-Spirale betrifft Frauen häufiger als Männer.

Überhöhtes Höflichkeits-Sprechen bedeutet in beruflichen Kontexten auch eine Gefahr für deine Autorität. Wenn du zu lange überhöht sprichst, schneidest du die tiefere Brustresonanz deiner Stimme ab. Dadurch verjüngst dich akustisch: Du klingst dann mehr wie ein Mädchen, statt wie eine Frau. Gleichzeitig ist dieses Form des hohen Sprechens oft mit einer Singsang-Intonation verbunden.

Das passt dann oft weder mit deinem Alter, noch mit deiner beruflichen Rolle zusammen. Als Resultat werden deine Äußerungen aber weniger ernst genommen und es fällt dir schwerer, als Person und mit deinen Leistungen zu überzeugen.

 

3. Deine Stimme ist überhöht, weil du zu laut sprichst.

Im Meeting quatschen alle durcheinander, dazu steht das Fenster offen und der Beamer produziert dieses Surrgeräusch… Jetzt willst du auch mal was sagen, baust deine Kraft auf, erhebst deine Stimme und versuchst, die anderen zu übertönen. Doch anstatt dass die anderen leiser werden, steigt die Unruhe im Raum eher noch. Und am Ende hast du nicht den Eindruck, dass sie dich wirklich gehört haben.

Wenn du laut sprichst, sind deine Stimmlippen sehr stark gespannt. Sie schwingen in einer besonders hohen Frequenz und deine Stimme wird höher. Das ist besonders problematisch, wenn du die Kraft für das laute Sprechen nur in der Kehle produzierst. Diese hohe Spannung ist für die anderen unbewusst wahrnehmbar und kann unangenehm wirken.

In Streitgesprächen etwa passiert es häufig, dass die beiden Parteien einander zu ‚überschreien‘ versuchen. Das Erregungslevel steigt, die Lautstärke wird immer höher und die Sprechanteile überlappen einander mehr und mehr. Und dann kommt plötzlich die Du-Botschaft: ‚Du bist ja vollkommen hysterisch.‘

So ungünstig ich diese Art der Rückmeldung finde, so sehr verweist sie auf den oben beschriebenen Zusammenhang: die Stimme ist höher gerutscht, weil du die Kraft nur aus der Kehle holst und du deine Stimmlage beim lauten, erregten Sprechen nicht mehr steuern kannst.

Durchsetzen und gehört-werden klappt nicht allein über Lautstärke: du kannst dich auch durchsetzen, ohne laut zu werden. Manchmal ist es sehr viel wirkungsvoller, eine Pause zu machen. Oder eine plötzliche Geste nach vorne, um die Aufmerksamkeit aller zu ‚fangen‘.

Auch ein Positionswechsel kann ein effektives Mittel sein, um die Augen aller auf dich zu ziehen: etwa, indem du kurz von deinem Platz aufstehst. Und wenn du dann etwas sagst, versuch gleich in deiner Indifferenzlage zu sprechen.

 

4. Wenn du dich ärgerst, rutscht deine Stimme hoch.

Deine Stimmlage verändert sich, wenn du genervt oder verärgert bist. Auch dein Stimmklang ist dann anders: schärfer und spitzer. Selbst wenn du versuchst, ruhig und sachlich zu bleiben: wenn du dich ärgerst, wird deine Stimme höher. Die Emotion ist zu stark, sie bricht sich einfach Bahn und wird wahrnehmbar. Oft verändert sich auch die Wortwahl und auf der inhaltlichen Ebene klingen deine Sätze dann vorwurfsvoll und anklagend.

Versuche, wieder ruhig zu werden. Einmal tief durchatmen, besser noch 3x tief ein- und ausatmen. Du kannst die Emotion auch beobachten und sanft beschreiben: ‚Da ist Wut.‘ Oder du gehst als Notlösung für einen kurzen Moment aus dem Zimmer, um wieder Abstand zu bekommen.

Vermeide, in solchen Ärger-Momenten laut zu werden und zu schreien. Unkontrolliertes Schreien zeigt nur selten Wirkung. Setze bewusst in deiner Indifferenzlage zu sprechen an und drücke aus, was dich stört oder ärgert. Das klappt besonders gut mit diesem inhaltlichen Rückmeldungs-Schema:

  1. Du beschreibst deine Beobachtung: ‘Wir waren um 12 Uhr verabredet. Jetzt ist es 13 Uhr.’

  2. Du drückst die Wirkung auf dich aus und deine damit verbundenen Gefühle: ‘Ich bin verärgert, weil mir Verbindlichkeit und Pünktlichkeit besonders wichtig sind.’

  3. Du formulierst einen Wunsch an dein Gegenüber: ‘Bitte komm zu unserer nächsten Verabredung morgen zum abgesprochenen Zeitpunkt.’

Wenn du deinen Ärger so in Worte packst, darf er trotzdem da sein und wird von deinem Gesprächspartner auch gehört. Gleichzeitig behältst du die Kontrolle über deine Stimme, weil sie durch die ruhige Beschreibung nicht nach oben abhaut.

 

Hör dir selbst beim Sprechen zu und lerne deine Stimme kennen.

Versuche, beim Sprechen in deinem Hauptsprechtonbereich zu bleiben. Dafür musst du wissen, wie du klingst, wenn du in ihm sprichst. Schule dein Bewusstsein für deine Stimme und höre dir in entspannten Sprech-Situationen besonders aufmerksam zu.

Dadurch lernst du deine entspannt klingende Sprechstimme immer genauer kennen und hast sie ‚im Ohr‘. Das ist wichtig, damit du wieder zu ihr zurückkehren kannst, wenn du überhöht sprichst.